Schwierige Trainingssituationen

Was ist bei schwierigen Seminarsituationen wichtig?


Schwierige Trainingssituationen

Jeder Trainer kann früher oder später in eine schwierige Trainingssituationen geraten. Natürlich kann man durch ein gutes Seminardesign und sensibles Eingehen auf die Teilnehmer so manche Klippe im Training umschiffen, aber ausschließen kann man sie nicht. Vielleicht sind schwierige Situationen das Salz in der Suppe, das unsere Arbeit als Trainer interessant macht.

Sie fordern unsere Kreativität heraus. Da diese Situationen nicht häufig vorkommen, bringt es den einen oder anderen Trainer ins Schleudern. Manche Trainer reagieren hier stereotyp oder zu extrem.

 

 

Das Leben stellt uns immer wieder neue Aufgaben, an denen wir wachsen können.Ingo Krawiec

 

Übliche Reaktionsweisen auf schwierige Teilnehmer sind:

1. Es wird autoritär und maßregelnd reagiert

So hat man es bereits in der Schule erfahren. Die Teilnehmer werden als blöd und unwissend dargestellt. Vielleicht holt man ihn an die Tafel oder gibt ihm eine besonders schwere Aufgabe. Dies führt in der Regel dazu, dass man sich den Störenfried zum Feind macht oder Solidarisierungseffekte in der Gruppe auslöst, denn wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus. Diese Form der Reaktion ist in der Erwachsenenbildung in der Regel nicht angemessen.

2. Es wird gar nicht reagiert

Die schwierige Situation wird ignoriert oder das Problem wird"ausgesessen". Dies kann natürlich das eine oder andere Mal erfolgreich sein. Wenn aber die schwierige Situation unserer Aufmerksamkeit und Energie schluckt, haben wir ein Problem. Wir können uns nicht mehr voll auf den Lernprozess oder andere Teilnehmer konzentrieren. Außerdem beeinflussen diese Störungen natürlich den Gruppenprozess. In der Gruppe macht sich ein schlechtes Klima oder Unzufriedenheit breit. Der alte Spruch von "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben" gilt hier allemal.

3. Es werden ausschließlich Einzelgespräche in Pausen geführt

Einzelgespräche können bei bestimmten sehr privaten Gesprächsinhalten sinnvoll sein. Mein Eindruck ist jedoch, dass Einzelgespräche häufig auch dann eingesetzt werden, wenn das Problem in der Gruppe geklärt werden könnte.

Einzelgespräche habe den Nachteil, dass die anderen Teilnehmer die problematische Verhaltensweise des Teilnehmers mitbekommen haben und Spekulationen darüber anstellen, was der Trainer wohl mit dem Teilnehmer bespricht. Weiterhin ist ein kleines Stück der Autorität des Trainers geschwächt, wenn er nicht vor der Gruppe reagiert.

Spricht ein Trainer einen Teilnehmer wegen häufigen Seitengesprächen in Pause an, wissen die anderen Teilnehmer nicht, was der Trainer von Seitengesprächen hält bzw. welche Spielregeln ihm wichtig sind. Außerdem entzieht man durch Einzelgespräche den Teilnehmer der Gruppe, die bei schwierigen Situationen durchaus eine Hilfe sein kann. Ich empfehle, solche Einzelberatungen auf das Notwendigste zu beschränken.

 

Zum Thema schwierige Situationen sind zwei Kernaussagen hilfreich, um die Hintergründe zu verstehen. Die Erste ist:

"Wie schwierig wir eine Trainingssituation erleben, hängt von unserem Erfahrungsschatz, Vorerfahrungen und unserer persönlichen Konstitution ab. Oft machen wir Situationen selbst erst schwierig."

Es ist in der Tat oft so, dass schwierige Situationen immer dann auftauchen, wenn wir in irgendeiner Weise Neuland betreten. Wenn wir eine Situation schon mal erlebt haben, haben wir auch gelernt mit dieser Situationen umzugehen. Wenn etwas neu ist, treten zu Anfang immer Probleme auf. Stellen Sie sich vor, Sie erlernen das Klettern. Am Anfang, bei niedrigen Schwierigkeitsgraden, kommt einem schon so mancher Überhang schwierig vor. Nach Jahren des Kletterns schätzt man diesen vielleicht als "leicht" ein. Manche Wege, auf denen wir früher Schwindelgefühle hatten, können wir nach Jahren des Kletterns ungesichert und ohne Schwindelgefühle begehen. Zwar hilft uns diese Erkenntnis in der momentanen Situation nicht weiter, aber wir können darauf vertrauen, dass wir beim nächsten Mal die Situation anders bewältigen.

Vielleicht gehören schwierige Situationen zu der normalen Entwicklung des Trainers dazu oder schärfer formuliert:

"Schwierige Situationen sind begrenzt für die Kompetenzentwicklung von Trainern notwendig, da sie unser Verhaltens- und Kompetenzspektrum erweitern."

Nach Jahren des Trainings erlebe ich bestimmte Situationen, die Teilnehmer von Train-the-Trainer-Seminaren schildern, nicht mehr.

"Ich habe z.B. selten oder kaum Teilnehmer, die Seitengespräche führen. Nicht die Teilnehmer oder andere sind schuld, wir verfügen nur zur Zeit nicht über das Verhaltensrepertoire, um mit der Situation umzugehen."

Ein Kollege pflegte hier zu sagen

"Es gibt keine schwierigen Situationen, wir machen sie selbst erst schwierig" und

"Der Begriff schwieriger Teilnehmer ist eine rein gedankliche Konstruktion".

Auch diese Erkenntnis lindert kurzfristig nicht die Situation, kann aber helfen Ideen zu entwickeln, was man den tun kann und nicht die Schuld den Teilnehmern oder einzelnen Teilnehmern zu geben. Wir neigen oft dazu, schwierige Teilnehmer zu etikettieren mit Begriffen wie "Nörgler" oder"Quertreiber", statt zu schauen, welches Verhalten diese überhaupt zeigen oder durch welches Verhalten wir ihr Verhalten hervorrufen.

 

An dieser Stelle müssen wir uns fragen:

  • Was macht die Situation für uns überhaupt schwierig?
  • Ist die Situation eher für die Gruppe oder für uns schwierig?
  • Welches Verhalten zeigt der Teilnehmer?
  • Was ist positiv an dem für mich problematischen Verhalten?
  • Was tue ich, damit der Teilnehmer sein Verhalten aufrecht erhält?
  • Was kann ich tun, um sein Verhalten zu beeinflussen?

 


Oft hängen die Probleme mit einem Teilnehmer auch von unserer Vorgeschichte zusammen:

Vielleicht haben wir in der Vergangenheit mit anderen Personen (z.B. Vorgesetzten) ähnliche, negative Erfahrungen gemacht und übertragen diese jetzt auf die Teilnehmer. Dadurch reagieren wir emotionaler als bei anderen Teilnehmern. Die Psychologie spricht hier von einer"Übertragung". In solchen Situationen ist es hilfreich, emotional zu unterscheiden zwischen dem Teilnehmer und der "anderen" Person. Wenn Sie feststellen, dass Sie mit bestimmten Situationen immer wieder ein Problem haben und diese häufiger erleben, sollten Sie sich überlegen, wie Sie anders darauf reagieren könnten.

Mit welchen "Typen" und bei welchen Situationen treten diese Probleme auf und was sind Ihre Reaktionen. Oft werden eigene Unsicherheiten, Ärger oder Ängste auf Teilnehmer übertragen. Wir versuchen oft, unsere Umwelt für das verantwortlich zu machen, wofür wir selbst einstehen sollten. Hier spricht die Psychologie von Projektionen.

In diesem Zusammenhang kann ich mich an eine Geschichte eines Kollegen erinnern, mit dem ich eine Teamentwicklung durchgeführt habe. Er war sauer auf einen Teilnehmer, weil er im Seminar nicht mitzog.

Plötzlich sagte mein Kollege zum Teilnehmer:

"Sagen Sie es doch endlich, dass Sie sauer auf mich sind." Der Teilnehmer antwortete: "Ich bin nicht sauer auf Sie. Ich wollte nur ein paar Themen, die mir fehlten, ansprechen."

Letztendlich hängt natürlich der Grad der Schwierigkeit einer Trainingssituation auch von unserer aktuellen physischen und psychischen Konstitution ab. Haben wir schon etliche Seminare im Monat hinter uns, sind wir vielleicht nicht so kreativ im Umgang mit der Situation wie wenn wir frisch aus dem Urlaub kommen.

Hier gilt auch für Trainer auf ein effektives Stressmanagement zu achten. Es geht es um so einfache Dinge wie ausgeruht in das Seminar zu kommen und sich während des Seminars eine Auszeit zu gönnen. Letztendlich geht es um unser Wohlergehen im Seminar. Erst, wenn wir sicherstellen können, dass es uns gut geht, können wir unsere volle Performance bringen.

"Schwierige Teilnehmer sind oft Teilnehmer mit Schwierigkeiten."

Diese Aussage verdeutlicht einen weiteren wichtigen Aspekt bei schwierigen Teilnehmern. Viele Teilnehmer, die oberflächlich betrachtet als schwierig eingestuft werden, haben ihre eigenen persönlichen Schwierigkeiten.

Es kann zum Beispiel sein, dass das Verhalten, was sie im Seminar zeigen, ihnen auch im Job Schwierigkeiten bereitet. Oder, dass sie gerade eine schwierige Zeit durchleben. Anstatt als Trainer zu früh gegenüber dem Teilnehmer überzureagieren, muss man zunächst prüfen, was hier mögliche Hintergründe des Verhaltens sein können.

Ein Beispiel hierfür ist eine Teilnehmerin, die sich als besonders schwierig erwies, weil sie alles in Frage stellte und bei anderen Teilnehmern aneckte. In einem späteren Gespräch kam heraus, dass sie völlig überlastet war und ein Jobwechsel bevorstand. Solche Hintergründe von Teilnehmern zu berücksichtigen ist eine wichtige Aufgabe des Trainers. Gerade in Verhaltenstrainings sollten solche Dinge angesprochen und bearbeitet werden, da dies manchmal ein "versteckter Auftrag" vom Teilnehmer an den Trainer ist.

Oft werden auch am Trainer Themen abgearbeitet, die die Teilnehmer eigentlich mit ihren eigenen Vorgesetzten abzuarbeiten haben. Der Trainer bietet eine Übertragungsfläche für andere Autoritäten. Der Trainer nimmt hier eine Art Stellvertreterrolle ein. Bei sehr hierarchischen Unternehmen sind die Teilnehmer auf der einen Seite von ihren Vorgesetzten sehr frustriert, auf der anderen Seite erwarten Sie vom Trainer eine klare Führung und Vorgaben. Manchmal etwas widersprüchlich, nicht wahr?

 

Autor: Ingo Krawiec, Krawiec Consulting

Zweite, überarbeitete Fassung vom 05.08.2014